Ein ganz entscheidender Aspekt beim Karpfen-Angeln ist die richtige Platzwahl. Denn gerade die kapitalen Bartelträger ziehen nicht unbedingt in jede Ecke des Gewässers um Nahrung aufzunehmen. Man sollte sie schon am Wasser suchen. Dabei sollte man sich bei Weitem nicht darauf beschränken, Angelplätze in Betracht zu ziehen, an denen schon andere Angler erfolgreich waren. Hier heißt es „selbst ist der Karpfenangler!“ und Shimano-Angler Pierre-Michel Lehe erklärt euch, worauf ihr dabei achten solltet.
Vielen scheint der Weg bis zum Fisch meist uninteressant oder langweilig. Oft kommt der Angler an den See und beschränkt sich auf immer die selben Handlungen. Nicht selten werden die Angelplätze angesteuert, die sich für die Angler als bequem herausstellen. Man kann gut sitzen, die Köder können gut ausgebracht werden und die Liege steht ebenfalls gerade und fest, damit der Angler auch bei Nacht gut schläft. Die Fische werden sicher schon durch einen ordentlichen Futterplatz (oft soll viel Futter viel helfen!) angelockt werden.
Meiner Meinung nach sollte sich nicht der Fisch uns Anglern anpassen sondern wir sollten uns dem Verhalten und Vorlieben der Karpfen unterstellen. Der Fang eines Fisches hat doch einen viel größeren Stellenwert, wenn wir uns den Weg zum Fisch geebnet haben und nicht umgekehrt. Ganz nebenbei ist diese Strategie auch viel erfolgreicher, wie die Vorgehensweise vieler Experten beweisen.
Bei der Location des Karpfenangelns geht es darum, einen bestimmten Platz/Ort an einem Gewässer zu finden an dem sich regelmäßig fressende Karpfen aufhalten. Oft wird dieser Weg in Richtung Fisch nicht wirklich wahrgenommen. Bei mir hat die Location des Platzes, den ich beangeln möchte, einen gleichen Stellungswert, wie das Angeln an sich. Wir können entscheiden ob wir an einem bequemen schönen Platz mit englischen Rasen angeln an dem gestern erst der letzte Karpfenangler saß und alle paar Tage mal ein Karpfen vorbeikommt, oder wir machen uns auf die Suche nach unseren nassen Freunden und finden ihre Fress-Routen und Aufenthaltsplätze um sie gezielt zu fangen.
Ein unauffälliges Erscheinungsbild ist beim Aufspüren der Karpfen sehr wichtig. Dies können wir erreichen, indem wir uns sehr leise und getarnt am Gewässer aufhalten. Die Fische sollten nicht bemerken, dass wir am Gewässer sind. Sie sollen sich in ihrer natürlichen Umgebung so verhalten als wenn wir uns nicht am Wasser befinden.
Der erste Schritt zur perfekten Location ist die Auswahl des Gewässers. Umso größer es ist, desto schwieriger wird es sein dort einen karpfen-trächtigen Platz aufzuspüren. An kleineren Gewässern bis ca. 30 ha erscheint dies schon einfacher. Ist der richtige See oder Fluss ausgemacht, sollte man als nächstes das Gewässer am besten mit dunkler oder getarnter Kleidung zu Fuß umrunden. Viele, wie ich übrigens auch, bevorzugen hierzu die Tribal Kleidung von Shimano.
Falls es nicht möglich ist, das Gewässer vom Ufer aus zu betrachten kann man oft auch auf ein Boot zurückgreifen.
Aber auch eine Vorrecherche von zuhause oder per Handy mit Google-Map oder Google-Earth ist hilfreich. Worauf ihr achten müsst und einige Tipps geben wir im Fangplatz-Artikel "Moderne Gewässer-Erkundung – mit Google-Maps zum Fangerfolg!".
Beim Betrachten des Gewässers ist es wichtig, dass auf markante Stellen wie Büsche oder Bäume, die ins Wasser ragen, geachtet wird. Dort halten sich Karpfen sehr häufig auf, da sie unter den großen Hindernissen meist Schutz suchen und sich dort sicher fühlen. Aber auch Veränderungen des Grundes wie zum Beispiel Kies oder Sand sind so genannte Hotspots. Achtung! Viele Karpfenangler meiden weiche oder schlammige Bodenstrukturen. Dies ist falsch, denn gerade dort finden sich oft viele kleine Wassertiere die im Schlamm leben und für den Karpfen eine super Nahrungsquelle ausmachen.
Häufiger zu finden sind allerdings vereinzelte Sandstellen, die man zwischen Kraut oder Faulschlamm findet. Diese können durchaus auch von fressenden Karpfen entstanden sein. Wenn man dort auf dem sauberen Sand seine Montage ablegt kann man meistens mit einem schnellen Erfolg rechnen. Eine große Hilfe, um vom Ufer aus den Gewässergrund besser zu erkennen ist eine Polarisationsbrille auch Polo-Brille genannt. Hierbei handelt es sich um eine Sonnenbrille, die die Wasserspiegelung um ein Vielfaches verringert. Dadurch können wir tiefer und stellenweise klarer den Grund erkennen. Polo- Brillen gibt es in verschiedenen Preisklassen und bei gut sortierten Angelläden zu bestellen oder zu kaufen.
Eine andere Art Karpfen aufzufinden ist sie beim Springen zu beobachten, meistens machen sie sich durch ein lautes Klatschen an der Oberfläche bemerkbar. Dies erweist sich aber schwieriger, weil dieses Verhalten meist seltener vorkommt. Wenn wir aber beim Angeln selber viel Zeit am Gewässer verbringen und nebenbei Augen und Ohren offen halten, können wir mit etwas Glück auch springende Karpfen sehen.
Eine zusätzliche Möglichkeit ist das Tauchen (oder Schnorcheln) in einem Gewässer. Ich kann jedem nur empfehlen wenn er diese Möglichkeit hat, sie unbedingt zu nutzen. Meist reicht es aus, sich ein genaueres Bild von den Uferbereichen eines Sees Unterwasser zu machen, da wir dort oft auf viel Nahrung treffen und somit meist fressenden Karpfen begegnen. Sie dabei zu beobachten wird die Fangchancen um ein Vielfaches erhöhen.
Am Ende bietet dei heutige Technik so manch ein Hilfsmittel an. Sei es das klassische Echolot vom Boot aus oder die Smartcasts, mit denen man die Uferbereich hervorragend mit der Rute duchforschen kann.
An für mich neuen Gewässern bin ich fast immer erst zum Fangerfolg gekommen, nachdem ich die Karpfenstellen intensiv gesucht hatte. So habe ich auch einige meiner kapitalsten Exemplare überlistet. Ich habe schon viele Angler am Wasser getroffen die eine super Angelausrüstung besaßen und mir was von tollen Montagen erzählten, die sie doch benutzen würden. Doch was nützt ihnen all das Material und Materialwissen, wenn sie auf der einzigen einfach mit Auto erreichbaren Stelle angeln, an der alle 3 Tage ein neues Zelt steht und die Fische diesen Platz wegen der Unruhe mittlerweile meiden oder nur mit Vorsicht besuchen. Einfacher ist es die natürlichen Fressplätze der Karpfen aufzusuchen und ihnen den Köder regelrecht vor das Maul zu halten. Allerdings gibt es auch Tage an denen es teilweise unmöglich ist Karpfen zu sehen oder zu bemerken. Dann sollten wir unseren Angelplatz nach dem Gefühl aussuchen und uns dabei auf unsere Erfahrung verlassen.
Dabei ist es behilflich, wenn man sich versucht in die Situation des Fisches hinein zu versetzen. Wenn man die Umstände am jeweiligen Gewässer betrachtet kann man auch so mit ein wenig Glück die richtige Stelle finden.
Meistens wirken aber ein wenig Beobachtungszeit, verbunden mit einem dunklen Hemd und einer passenden Polarisations-Brille mehr als jedes neue Tackle. Letzteres findet eure Fische bestimmt nicht.
Ich wünsche Euch eine erfolgreiche Karpfen-Saison und viele neu gefundene Futterplätze unserer geliebten Karpfen.
Der Weg ist das Ziel!
Pierre – Michel Lehe