Im Friedfischangeln kommt es sehr selten im Jahr vor, dass man alle deutschen Top-Angler an einem Gewässer beobachten kann.
Ein Termin war vom 24.04 bis 27.04.08 an der Geeste in der Nähe von Bremerhaven. Ich nutzte unter anderem auch mal die Gelegenheit, um mir das Handwerk der deutschen Experten genauer anzusehen.
Die Grundbedingungen waren für mich optimal! Das Treffen fand an einem Gewässer statt an dessen Art ich mich ganz sicher „autorisch“ am wohlsten fühle. Die Geeste kann als ein sehr heikles Gewässer beschrieben werden in dem die Fische laufend ihr Verhalten ändern. Das mussten auch Deutschlands beste Stipper bei ihrem Sichtungsangeln bemerken. Aber wer bei fangplatz.de öfter liest, der weiß, dass ich gerade diese Situation so liebe. Denn wenn die Spezies in Not geraten müssen sie ihr ganzes Können aufbieten ohne dabei zu „flunkern“.
Ich positionierte mich daher am Tag 1 (es wurden 6 Durchgänge an 4 Tagen gefischt) auf der anderen Gewässerseite und ließ das Treiben auf mich wirken, während ich am 3. Tag den Einem oder Anderen mal über die Schulter schaute. Die Situation zeigte sich für mich vor dem Angeln des 1. Tages schon am nordwestlichen Horizont. Da kam nämlich ein Tiefausläufer. So etwas sieht man an der Küste schon sehr früh und ich vermutete sofort, dass sich der Wind drehen könnte – tödlich für solche Flüsschen und dem Appetit der Bewohner.
Egal, wie die Verhältnisse am Angeltag nun auch sein mögen, die Grundtaktik musste heißen, dass jeder Angler drei Futterstellen anlegen sollte: Eine an der anderen Uferkante (auf 25 m Entfernung), eine auf 13 m Entfernung und eine auf ca. 3-5 m Entfernung für den Notfall.
Futterstellen anzulegen, bedeutete pro Platz ca. 5-7 Ballen mit dem Katapult oder mit der Hand zu platzieren. Sicherlich sind die Apfelsinen-Bomben bei vielen wieder nicht so gerne gesehen, aber nach meinem Testfischen war ich mir sicher, dass sie als „Anfangsklatsche“ keine so schlechte Wahl waren. So sahen es auch einige Teilnehmer. Stefan Posselt löste das Problem, indem er die schwere Erde mit Zuckmückenlarven via Pole Cup hinaus beförderte. Seine Xedion-Rute hat sich zwar tierisch gebogen, aber sie hat das überlebt! ;-)
Bei der Futterkontrolle konnte ich erkennen, dass Claus Müller einen Erdanteil von fast 40% eingemischt hatte. Bei Harald Windel sah es bei der Futter-Erde-Kombination und der schwarzen Farbe ganz ähnlich aus. Doch das sind eigentlich nur kleinere entscheidende Details, wenn die Besten der Besten zusammen treffen. Mich interessierte, wie die Hauptakteure jetzt die Fische zusammen sammeln würden. Denn sammeln mussten sie heute und die nächsten Tage ganz sicher!
Peter König, beim DAV verantwortlich für die deutschen Feinfisch-Spezies, erzählte mir kurz vor dem Angeln, dass die Strecke sehr viel davon hergeben würde, was er sich erhoffte. „Das Gewässer ist für fast alle ganz neu und hier müssen alle die Rollenrute in die Hand nehmen. Wir meiden häufig diese Angeltechniken obwohl sie international so wichtig sind.“
Da praktisch keine Strecke so richtig gerecht ist, wurde auch dieses Geeste-Teilstück in 6 Bereiche eingeteilt, so dass jeder Teilnehmer in den 6 Durchgängen in jedem Teilstück der Strecke Platz nehmen musste. So kann man zumindest etwas die Platzunterschiede in der Angelausbeute verkleinern. Leider hat es nicht ganz so optimal geklappt wie von den Organisatoren es im Vorfeld angedacht war und das spielte dem einen oder anderen Angler gegen sein Kalkül. Claus Müller saß zum Beispiel ein mal zu viel in einem der bekannten schlechten Bereiche der Strecke und kam aus irgend einem Grunde nicht in den Genuss des ihm zustehenden guten „Fang-Garantiesektors“. Hätte könnte wäre... „Es ist so wie es ist.“, nahm Claus am Ende das auch so hin. „Es zählt nur das was man fischt! In dem letzten mir zustehenden vermeintlich besseren Sektor hätte ich auch erst mal die Fische mehr fangen müssen, die mir bis dahin noch fehlten. Zu viele andere waren an diesem Wochenende, über alle Durchgänge betrachtet, besser als ich. Das ist halt Sportfischen und das ist ein Grund weshalb wir das Hobby alle ausüben.“ gab er auch etwas selbstkritisch zu Protokoll, wobei er gleich mit seinem typischen Humor nach schob: "Natürlich hätte ich im geilen Sektor einen einstelligen Platz gefischt!" zwinkerte er mir zu und begab sich auf seine Heimfahrt.
Im Vorfeld waren sich alle Organisatoren einig, dass man alles bedacht hatte und es kam wieder einmal so, dass sich die Fische zu unterschiedlichen Tageszeiten (und Strömungszuständen – wir sind an einem Tiedegewässer – s. diesen fangplatz-Artikel) unterschiedliche Plätze zum Fressen bevorzugt aussuchten. So waren die kleinen Platznummern bei leichter Strömung, wenn das Wehr geöffnet war, wesentlich ergiebiger als bei minimaler oder gar keiner Strömung. Dann musste man sich hier jeden Fisch ganz hart durch disziplinierte Köderführung erarbeiten, wobei man in der Summe doch eher kleine Brötchen backen musste. Diese Tatsache war ganz sicher negativ für das Angeln. „Besser wäre hier gewesen, alle Durchgänge an einer Tageszeit zu machen und dafür 2 Tage vorher anzufangen“ schilderte mir Ralf Herdlitschke seinen Eindruck. Sicher ist hier auch etwas Wahres dran, aber am Ende ist man immer klüger und die Verantwortlichen haben daraus wieder ein Stück weit mehr ihre Lehren gezogen. Man tastet sich eben auf allen Bereichen langsam heran wobei die Grundrichtung auf jeden Fall stimmt.
Das Angeln wurde wie erwartet schwierig. Jeder musste lange auf seinen ersten Biss warten. Dabei konnte man als genauer Betrachter schon sehen, wer die unterschiedlichen Angeldisziplinen in einem langsam fließenden Gewässer mit großem Vertrauen in sein Können einsetzte und wer eher an seinem Lieblingsgerät hing.
40-45% der Teilnehmer setzten zum Beispiel die Rollenrute kontinuierlich ein um den einen oder anderen Fisch von der anderen Seite zu stibitzen. „Mehr war dort außer auf den Außenplätzen eh nicht zu holen.“ schilderte mir Günther Horler seine Eindrücke.
Trotzdem: Selbst wenn 2-3 Plätze entfernt Fische mit der Rolle erbeutet wurden, wurde mir viel zu häufig nur mit dem Polecup auf 13m nachgefüttert anstatt die aufgebauten Rollenruten einzusetzen. Die Interaktionen zwischen den einzelnen Futterplätzen (vorne hinten) war bei einigen während des Angelns fast ganz vergessen worden. Zwar wurden zu Beginn mehrere Futterplätze angelegt, aber für den Einen oder Anderen hörte die kontinuierliche Pflege der hinteren Futterplätze mit dieser Erstfütterung auf. Sie wurden im Verlauf des Angelns nicht weiter nachgefüttert, wenn man auf 13m angelte.
Anders sah es bei den großen deutschen Namen des A-Kaders aus. Ralf Herdlitschke setzte seine Bolo schnell ein und wechselte flott und zielgenau von einem Futterplatz zum nächsten, wobei er nie vergaß die anderen Plätze weiterhin mit Futter zu versorgen. Ähnliches konnte man bei Stefan Posselt beobachten, auch Harald Windel war schnell bei der Sache, ähnlich wie Claus Müller. So waren sie schnell in der Lage zu partizipieren, wo sich die Fische zum momentanen Zeitpunkt aktiver zeigten und so kamen nicht selten auch das „Mehr im Kescher“ zustande. Viele andere blieben häufig zu fleckmatisch bei der Stange.
Woran lag das? Wollten sie ihr Material nicht einsetzen? Schon beim Aufbau achtete ich darauf, sensibilisiert durch unser Matchangelvideo mit Claus Müller, wie viel Vorbereitungszeit die Teilnehmer mit der Rollenrute verbrachten. Schon dabei war bei einigen erkennbar, dass sie sich viel Zeit beim Ausloten mit der Stange nahmen, aber oft weniger Vorbereitung für die Matchrute opferten, obwohl diese Angeltechnik eigentlich viel mehr Vorbereitung benötigt. Ralf Herdlitschke fing z.B. gleich mit der Rollenrute (eine Bolorute mit quietschender Rolle :-)) ) an, sein Angelrevier auf der anderen Uferseite genau zu erkunden, bevor er flott mit der Stange seine Tiefen einstellte.
Es kam so, wie es bei fast jeder Sichtung in den letzten Jahren der Fall war: Die altbekannten und technisch sehr starken deutschen Feinfisch-Spezies lagen wieder vorne und besetzen somit auch wieder die deutsche Elite-Truppe, worauf sie schon fast ein Dauer-Abo haben.
Die einzige Ausnahme war für mich am 1. Tag und das auch etwas überraschend Harald Windel, der wohl einen total schwarzen Tag hatte. „Ich habe heute irgendwie alles falsch gemacht, was ich falsch machen konnte“ war sein Fazit des Nachmittags. Kein Wunder, war sein Nebenmann, Thomas Del Fabrooch, der zweiterfolgreichste Angler des Durchgangs. Da muss man irgend etwas falsch gemacht haben, auch wenn die Technik stimmte...
Harald machte dann aber seine Hausaufgaben, die ich euch im nächsten fangplatz-Artikel über das Sichtungsangeln schildern werde, worauf sein Erfolgs-Schicksal seinen Lauf nahm. :-)
Natürlich sprach ich auch den Nationaltrainer Peter König auf meine Beobachtungen an und er bestätigte mir diplomatisch das Gesehene „Du hast Recht. Man sieht, dass viele der Rollenrute kein Vertrauen entgegen bringen. Aber man kann sie ja nicht dahin prügeln...“ Also waren meine Beobachtungen nicht so falsch. ;-)
Ein Sichtungsangeln ist immer eine Reise wert! Wie ein lebendes Sonderheft für das feine Friedfischangeln sitzt ein Stipp-Spezialist neben dem anderen. Man kann die Akteuren sehr gut bei Ihrer Angelei beobachten, den einen oder anderen Trick oder das eine oder andere Hilfsmittel erspähen und wer richtig tief in die Stipp-Geschichte Einblick nehmen möchte, der kann vieles in Sachen Taktik und Angeltechnik beim Zuschauen dazulernen. Wenn dann noch Fragen offen bleiben, dann kann man die Aktiven nach dem Angeln nach Details fragen, worauf wirklich jeder bereitwillig Auskunft gibt. Kein Sonderheft ist so schön lebhaft beschrieben, wie diese Realität! ;)
Die Sicherheit der deutschen Spitzenstipper hinter dem A-Kader ist beim Materialhandling sehr stark auf die Kopfrute konzentriert. Rollenruten, sei es jetzt die Bolo- oder die Matchrute, werden bei vielen bei weitem nicht so gut beherrscht, wie man es in der Spitze beobachtet. Auch bei der Fütterung sieht man immer wieder die einfacheren Techniken. Wenige nehmen die Madenschleuder in die Hand und probieren es mit dosiertem Schießen von losem Futter, was die Engländer laufend machen, wenn es schwer wird. Sicherlich bei dem Wind an der Geeste eine noch schwerere Sache, aber dafür haben die Engländer z.B. kleine Spitzenkappen mit Dosierhilfen montiert. ;-)
Leider scheinen viele deutsche Angler diese Techniken oft gar nicht mit im Kalkül zu haben, sucht man auf ihren Köderständern die „loose feet“ Mischung oft vergebens. Die Dinge werden in den Spezial-Magazinen beschrieben aber zu oft pauschal als „in Deutschland nicht anwendbar“ zur Seite geschoben.
Zusammengenommen bekommt man bei einem Sichtungsangeln somit beide Seiten gezeigt. Die Klasse der etablierten deutschen Cracks mit unendlicher internationaler Erfahrung, die technisch auch hohen Ansprüchen gerecht werden. Außerdem kann man die Fähigkeiten von ambitionierten Neueinsteigern beobachten, die in die große Welt des internationalen Matchangelns einmal hinein schnuppern können. Beides ist für Zuschauer und Teilnehmer hoch interessant und sicher mehr als nur einen Besuch wert. Probiert es beim nächsten mal einmal aus, denn ein Besuch beim Sichtungsangeln ist im Gegensatz zum Angelsonderheftes kostenlos! :-)
Wer war denn der erfolgreichste Angler beim Sichtungsangeln?
Oben klingt es eigentlich aus den Zeilen schon durch. Es waren die alten Bekannten, die am Ende auch ein westliches Gewässer besser beherrschten als die anderen.
Richtig stark waren Stefan Posselt, Lutz Weißig, Günter Horler, Harald Windel und Marco Beck. Erfreulicherweise konnte sich auch wieder Rene Bredereck als jüngerer Vertreter gut in Szene setzen. Etwas überraschend war, dass Claus Müller sich wieder den einen oder anderen Zweistelligen eingefahren hatte. Eines der Gründe dafür hatte ich ja oben schon angesprochen. Wer nun wo international angelt, reiche ich euch später mit einem kleinen Filmchen nach...