In dieser kleinen Serie begleiten ich den 4-fachen Einzelweltmeister Alan Scotthorne von unserem Partner Shimano zwei Angeltage, um ihm mal ganz genau auf die Finger zu schauen. Bisher haben ich von ihm gelernt, wie er sein Futter für den Silokanal zubereitet.
In diesem Teil erfahre ich, wie er sich seine Taktik und Montagen zurecht baut.
Ich wünsche euch wieder viel Spaß beim Lesen...
Frech wie ich bin, stöberte ich während der Futterzubereitung auch ein wenig in Alans Montageboxen herum, um mir seine Wickelbrettchen anzusehen. Alles war perfekt geordnet. Er hatte für jede Situation die passende "Antwort" montiert. Sofort fiel auf, dass bei allen Bebleiungschemata für diesen Gewässertyp Parallelen zu erkennen waren. Nein, man konnte sogar sagen, dass sie alle gleich aussahen (s. Abbildung). Eine fest gesteckte Olivette wurde oberhalb evtl. mit Feintrahierungsbleie ergänzt. Unter der Olivette befanden sich einige Bleie der selben Größe. Sie sollten im Verlauf des Angelns auf der Schnur hin und her geschoben werden bis Alan der Meinung war, dass er die optimale Position für jedes der kleinen Bleie gefunden hatte. Die Größe dieser Schrote variierte ebenfalls von Montage zu Montage. Auf diese Weise kann Alan die Sensibilität der Bissanzeige und den Widerstand des Köders beim Biss modifizieren. Eine weitere Variable war die Vorfachlänge.
Auch hier erkennt man wieder den selben Grundsatz: Bloß nicht zu viele Parameter zum variieren, dass macht das Angeln unnötig kompliziert und stört am Ende womöglich nur die Fische.
Für diese Session hatte sich Alan für ein Posenmodell von Rive (Rive 5) entschieden. Sie hat einen Metallstab und eine extrem gut sichtbare Kunststoff-Antenne. Ich vermute sogar, dass er sie zusätzlich aufgeklebt hatte. Dann war es aber so perfekt gemacht, dass man es wahrlich kaum erkennt. Um die Posen auswählen zu können, warf er einen Stock in ca. 13 Meter Entfernung ins Wasser und beobachtete seine Drift ganz genau. Schnell wählte er Modelle mit den Tragkräften 2,5-6 Gramm aus und ergänzte die Wahl mit einem Cralusso Bubble. "Diese Posen sind sehr gut" beantworte er mir meine Frage danach. "Du kannst sie prima führen und sogar leicht verzögern oder fest halten. Man kann sie sehr flexibel verwenden. Ich fische sie in allen Größen, je nachdem, welche sich anbietet". Heute stand allerdings mehr die Rive-Pose im Mittelpunkt.
Alan hatte im Vorfeld einige Angler durch mich befragen lassen, was für Fische zur Zeit gefangen werden. Ihn schien es aber absolut nicht zu interessieren, wie die Einheimischen angelten, er fragte ausschließlich nach dem Verhalten der Fische. Sind viele Fische da oder nur wenige? Kommen sie in Landnähe oder stehen sie draußen? Beißen sie aggressiv oder eher vorsichtig? Sind Brassen da oder eher nur Rotaugen?
Schon am Abend vor dem Angeln gewährte er mir einen kleinen Einblick in sein Vorhaben. "Es hört sich für mich so an, dass wir es morgen mit etwas größeren Rotaugen zu tun bekommen werden, die wir zwischen den Kleinen heraus fangen müssen. Die Brassen sind ebenfalls da und halten sich scheinbar charmant zurück. Wir müssen also regelmäßig und auf den Punkt füttern damit wir die kleinen Rotaugen satt bekommen. Am besten ist, wenn wir konzentriert auf unserem Platz füttern. Damit die Kleinen das Fressen etwas schneller einstellen, werden wir mit vielen Lebendködern und Hanf im Futter arbeiten. Das Futter machen wir schwer und etwas klebrig, dass es schnell zum Grund sinkt. Wenn wir Glück haben laufen die Brassen schon früh etwas unterhalb von unserem Futterplatz ein. Wenn nicht, müssen wir halt etwas warten." gab Alan schon zielsicher die Taktik aus. Man, wenn die Engländer 10 solcher Leute haben, die ihr Know-How nach dem aktuellen Informationsstand so schnell auf dem Punkt bringen, wird einiges klar...
Eine Strategie zu haben ist das eine, sie dann aber am Wasser umzusetzen das andere. Und genau hier sah man die deutlichsten Unterschiede zu anderen Spitzenanglern.
Doch bevor wir zum Angelstart kommen hier noch eine Benimm-Regel aus dem englischen Angelland: Sitzen mehrere Angler in einer Reihe und alle sind in etwa in dem selben Zeitraum beim Aufbau (plus/minus 1 Stunden), geziemt es sich mit seinem Angel-Start zu warten bis auch der letzte in der Reihe bereit ist. Wer vorher füttert ohne sich zu erkundigen ist unhöflich! Natürlich passierte genau das während unserer Session, was Alan etwas verunsicherte. Wieder wurde klar, dass unausgesprochene Regeln bei den ganz großen Meistern "Goldene Gesetze" sind . Dieses mal ist es halt passiert, beim nächsten mal kann man es als Deutscher ja besser machen. Auch in diesem Punkt haben wir halt etwas Aufholbedarf, schauen wir doch viel zu wenig über unseren deutschen Tellerrand... ;-)
Neuer fangplatz-Film mit Alan Scotthorne.
Wir haben Alan auch mit dem Camcorder ganz genau auf die Finger geschaut! Dabei ist ein 80-90 minütiger Film in zwei Sprachen entstanden (wahlweise in deutsch oder englisch), in dem Alan und wir euch alle Details ganz genau erklären.
Außerdem sind einige Impressionen vom Shimano Cup 2006 enthalten.
Dieser neue fangplatz-Film dokumentiert auf interessante Weise, wie sich ein Weltklasse-Angler auf ein Hegefischen vorbereitet, was er dabei für Schlüsse zieht und wie er das Erprobte dann "im Ernstfall" anwendet, um am Ende ein Schlussfazit zu geben.
Der Film ist ganz sicher für jeden Friedfischangler ein echter Hingucker, der viele Einblicke gewährt.
Erscheinungstermin: Anfang Dezember 2006.